Sicherheit und Raum

Analysieren - Planen - Umsetzen 

Angsträume und Gefahrenorte*



Beschäftigt man sich mit den sicherheitsrelevanten Raumstrukturen einer Kommune so ist festzustellen, dass es kaum etwas gibt was die Bürgerinnen und Bürger in ihrem Sicherheitsempfinden so beeinflusst wie Räumlichkeiten, welche unter dem Begriff Gefahrenorte und Angsträume erfasst werden. In einer sicherheitsfokussierten Raumanalyse (integriertes Sicherheitsaudit) zeigt sich immer wieder, dass es oftmals einen Grund dafür gibt, warum eine (bestimmte) Straftat an einem bestimmten Ort stattffindet und warum es Orte gibt, die angsteinflößend sind. 

commens.wikimedia.org
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Der Raum an sich kann Merkmale (Dunkelheit, Unübersichtlichkeit, gute Fluchtmöglichkeiten, etc.) aufweisen, welche nicht nur Kriminalität, sondern auch sog. Alltagsirritationen (Unordnung und störendes menschliches Verhalten) begünstigen. 

Insbesondere Bereiche, welche zunächst durch störende Verhaltensweisen (Belästigungen, offene Trinkerszene, Drogen, Müll, etc.) auffallen, weisen regelmäßig wiederkehrende Merkmale in ihrer jeweiligen Lage als auch Gestaltung in einem Quartier auf. Bedeutsam hierbei ist aber auch, dass Menschen bestimmte Orte für deviantes / kriminelles Verhalten bevorzugen und diesen Räumen dann auch „treu“ sind. Selbst bei Veränderung der Handlung (z. B. von der Prostitution zum Verkauf von Rauschgift) wird dieses an der selben Örtlichkeit vollzogen.

Gerade diese Erkenntnisse zeigen den deutlichen Bedarf an überschneidenden, interdisziplinären Maßnahmen. Analysiert man entsprechende kriminologischen Studien zeigt sich zudem, dass bei einer „hotspotbezogenen“ integrativen Bearbeitung der räumlichen Problemfelder es zu keiner Verdrängung der Kriminalität, sondern (auch langfristig) zu dessen Verringerung kommt. Wichtig hierbei war allerdings das ausgeglichene Verhältnis zwischen restriktiven und präventiven Maßnahmen. Gerade nach repressiven Maßnahmen zeigt sich das anschließende „Erklären des Erlaubten“ als unverzichtbares Mittel.

Eine Deffinition von Gefahrenorten ist insbesondere dort problematisch, wo diese sich in einem problematischen Gesamtkontext beffinden. Allein die gemessene Kriminalität (Polizeiliche Kriminalstatistik) ist hierfür nur sehr bedingt (wenn überhaupt) geeignet. Sehr wohl eignet sich diese für weitere Analysen, wobei gerade Delikte im öffentlichen Raum in der polizeilichen Erfassung von einer oftmals unkorrekten georeferenzierten räumlichen Verortung gekennzeichnet sind. Zur genauen Analyse besteht aber der Bedarf einer georeferenzierten Verortung, wodurch auch der Bedarf an einer verbesserten polizeilichen Datenqualität deutlich wird. 

In Abgrenzung zu Gefahrenorten unterscheidet man den wohl bekannteren Angstort. Die häuffigste Begründung dieser Unterscheidung ffindet sich in der Behauptung, dass es keine auffällige Kriminalität an solchen (Angst)Orten geben soll. Dieser Rückschluss wird mit den Zahlen der polizeilichen Kriminalstatistik unterfüttert, wobei diese aufgrund ihrer mangelnden georeferenzierten Erfassung, als auch in der Abbildung lediglich eines Teils (Hellfeld) der angezeigten Kriminalität im kriminologischen Sinne als eher ungeeignet anzusehen ist. 

In den näheren Analysen zeigt sich, dass dort - unabhängig der Klassifizierung in Gefahrenort oder Angstraum - einheitliche und sicherheitsrelevante Raumparameter festzustellen sind. Diese Parameter (Dunkelheit, Unübersichtlichkeiten, störendes menschliches Verhalten, Müll, Geruch, etc.) sind gekennzeichnet durch diffuse Ängste und angstbezogene Wahrnehmungen der Bürgerinnen und Bürger, welche sich individuell in seinen Ursachen sehr verschieden zeigen.

Im Rahmen von integrierten Sicherheitsauditierungen wurde deutlich, dass die Erfassung von Angsträumen nur kleinräumig zielführend ist. Erst wenn der Angstraum konkret und georeferenziert verortet bekannt ist, können die dortigen Wirkungsparameter erfasst und bearbeitet werden. Dieses führt auch zu keiner zusätzlichen Stigmatisierung dieser Örtlichkeit, sondern grenzt den Raum deutlich ein. Es zeigen sich zudem Effekte der Gegenkonditionierung, da allein die konkrete Benennung dieses Raumes die notwendige Transparenz und Glaubwürdigkeit öffentlichen Handelns in der Wahrnehmung solcher Örtlichkeiten begünstigt.

Angsträume unterscheiden sich in ihrer grundsätzlichen räumlichen Anordnung in einer Stadt. So ist festzustellen, dass es Örtlichkeiten gibt, welche aufgrund von Zuschreibungsprozessen als auch bspw.. durch Erziehung als Angstraum gelten. Dunkle Parkanlagen, einsame Wege, Tunnel, Bahnhöfe, etc. ffinden sich hierbei oft benannt. Auch in der körperlichen Ausrichtung der Menschen ffinden sich verschiedene Faktoren, warum ein Raum bzw. Örtlichkeit mit diffusen Ängsten belegt wird. Frauen, ältere und körperlich eingeschränkte Menschen, reagieren deutlich sensibler und oftmals mit Vermeidung auf solche Räume.

In der kommunalen Wirklichkeit ist es von besonderer Bedeutung in welchem konkreten Umfeld sich Angsträume beffinden. Angsträume in sog. Problemquartieren unterscheiden sich in ihrer Komplexität deutlich von Angsträumen z. B. im Innenstadtbereich, einer Parkanlage oder einer Unterführung. Leider zeigt sich nicht selten, dass quasi eine Checkliste für Angsträume deren Dasein bestätigen sollen oder auch nicht. Eine solch verallgemeinerte Bestätigungsgrundlage für Angsträume zeigt hierbei nur eins auf, dass die Komplexität und die äußere sehr differenzierte Beschaffenheit nicht verstanden wurde. 

Angsträume (wie auch das Sicherheitsgefühl) sind immer und grundsätzlich kontextbezogen. Zudem weisen solche Räume deutlich auf, dass diese durch zeitliche Komponenten (Wochenende, Dunkelheit, im Rahmen von Veranstaltungen, etc.), soziale Komponenten (wer hält sich wann wo auf, Fremdheit, Belästigungen, etc.), als auch räumlich-gestalterische Komponenten (Müll, unangenehmer Geruch, fehlende, mangelhafte oder unpassende Beleuchtung, Sachbeschädigungen, etc.) beeinflusst werden. Diese Komponenten zeigen sich dann auch noch als wechselseitige Verstärker, wobei Befragungen ergaben, dass solche Räume – unabhängig von den polizeilichen Daten - von den Betroffenen immer mit Kriminalität in Verbindung gebracht wurden und (wenn möglich) gemieden werden. Insbesondere Frauen und älter Menschen wiesen dieses Meideverhalten auf, Männer sahen sich eher körperlich oder durch Bewaffnung in der Lage, solche Räume zu nutzen.

In räumlich verorteten Analysen von Problemquartieren im Ruhrgebiet zeigt sich, dass es einen deutlichen Bezug zwischen den angegebenen Angsträumen und den „Orten häuffiger Beschwerden“ bei dem jeweils zuständigen Ordnungsbehörden gab.

Personen (Lärm, Belästigungen, Trinkerszene, etc.) oder räumliche Zustände (Müll, abgemeldete Pkw, etc.) zeigten sich als Verursacher bzw. Verstärker sowohl für den Angstraum als auch für die Beschwerden. In der kriminalitätsbezogenen Betrachtung dieser Räume zeigte sich zudem, dass ein Teil dieser dort festgestellten Personen regelmäßig im Zusammenhang mit Gewalt- und Eigentumsdelikte im öffentlichen Raum polizeilich in Erscheinung trat. In nicht wenigen Fällen stand die Tätermobilität in direktem Zusammenhang mit einem „Angstraum“ in diesem Problemquartier.

Auch im Zusammenhang mit den sog. „Tumultdelikten“[1] in Problemquartieren zeigen sich die „gemeldeten“ Angsträume von Bedeutung. Benannte Angsträume in Problemquartieren weisen quasi eine sehr individuelle „Sozialkontrolle“ auf, welche in den analysierten Bereichen durch ethnische Subkulturen geprägt waren. Dieses führte zu einer interessanten räumlichen Übereinstimmung zwischen den „Orten häufiger Beschwerden“, Tumultdelikten und der in diesen Quartieren erfasste Kriminalität im öffentlichen Raum.

Außerhalb solcher Problemquartiere zeigen sich die Angsträume oftmals in einem auffallenden baulichen Kontext, welche das Raumempffinden (bspw. durch eine nicht passgerechte Beleuchtung) als auch das dortige menschliche Verhalten negativ beeinflusste.

In Rasteranalyse von Plätzen und Anlagen zeigte sich, dass Incivilities in deutlichem Zuammenhang zu den dortigen „Dunkelzonen“[2] stehen. 

Zusammengefasst konnte man hier feststellen dass überall dort wo es dunkler und schlecht einsehbar wurde, die Menschen nicht mehr so sozialadäquat handelten. Müll wurde in die dunkleren Bereiche geworfen, die Hinterlassenschaften des Hundes weitestgehend nur dort entfernt wo dieses durch eine gleichmäßige Beleuchtung auch für andere sichtbar war und auch die eigene Notdurft wurde vorzugsweise in solchen dunklen Bereichen verrichtet.

Ordnung und Sicherheit benötigt zwingend eine räumliche gestalterische Grundstruktur, welche korrektes Verhalten ermöglicht und sicherheitsrelevantes Verhalten zumindest erschwert. Es dürfen keine informellen Gelegenheiten geschaffen oder belassen werden, welche  unerwünschtes Verhalten begünstigen.

In der kriminologischen Bewertung von Angsträumen zeigt sich aber auch, dass diese nicht selten deckungsgleiche Parameter für begünstige raumbezogene Tatbegehungsstrukturen aufweisen.

Tatsächlich zeigen sich in den räumlichen Bereichen, welche diffuse Ängste begünstigen (wie z. B. Dunkelheit, nicht einsehbare Bereiche, fehlende Sichtbeziehungen, etc.), dass diese zum Teil auch tatbegünstigend (z. B. durch das dortige geringere Entdeckungsrisiko oder verbesserte Fluchtmöglichkeiten) sind.

Zusammengefasst kann man feststellen, dass Angsträume nur im kleinräumigen Bereich erfasst und bearbeitet werden können. Strategisch ist hier die individuelle gesamtheitliche Erfassung unverzichtbar. Es gibt nicht DEN Angstraum. Räume können aber sehr wohl temporär (zeitlich, nutzungsabhängig, etc.) zu einem Angstraum werden.

Auch baulich – gestalterische Bedingungen sind in ihrer Wirkung immer kontextbezogen und müssen auch so analysiert werden. Der „Höhepunkt“ der Negativwirkung muss erfasst werden, da dieser  dann die Parameter für jegliche baulich-gestalterische Maßnahmen setzt. Eine Übertragbarkeit ist nur in den allgemeinen Grundsätzen denkbar, die konkreten Maßnahmen (z. B. die Wahl der Beleuchtung, Lichtfarbe, technisch, dekorativ oder dynamisch, etc.) muss sich immer am tatsächlichen Ort orientieren. Werden Angsträume konkret benannt, ffinden sich dort immer ein Bündel von angsterzeugende Parameter welche wie ein Sicherheitsseismograf für den öffentlichen Raum zu werten sind.


[1] Als Tumultdelikt gilt ein außenveranlasster polizeilicher Einsatz bei welchem mehr als 4 Einsatzmittel (Streifenwagen) zur Lagebewältigung benötigt werden und bei denen als Anlassart ein definiertes Aggressionsdelikt gegeben ist. Tumultdelikt werden oftmals in direkten Zusammenhang mit Gewalt gegen Polizeibeamte gebracht, was allerdings allein aus erfassungstechnischen Gegebenheiten so nicht korrekt ist.


[2] Als Dunkelzone gilt der Bereich, welche durch die baulichen Gegebenheiten eine ungünstige Struktur (z. B. durch Verschattung oder Nischenbildung) erlangt. Auch Bereich welche kein „ordentliches“ Verhalten zulassen (z. B. durch fehlende Mülleimer) werden hiervon erfasst.




 

 

 

 

 

 

 

 

* Es handelt sich um eine sehr verkürzte Zusammenfassung dieses Themas. Für weitergehende Informationen kontaktieren Sie mich.