Licht macht nicht automatisch sicherer
aber es macht sichtbar, wie wir Räume erleben.
Nach Einbruch der Dunkelheit verändern sich bekannte Orte: Wege wirken länger, Ecken werden zu Angsträumen, manche Plätze meiden wir ganz. Ob wir uns sicher fühlen, hängt dann weniger von Luxzahlen ab als von Wahrnehmung, Erfahrung und der Qualität der Beleuchtung.
Ich arbeite an der Schnittstelle von Architektur, Kriminologie, Verwaltungswissenschaft und Polizeiwissenschaft und zeige, wie Lichtgestaltung das Sicherheitsgefühl im öffentlichen Raum tatsächlich beeinflusst – und wo verbreitete Annahmen in die Irre führen.
Warum Licht mehr ist als Helligkeit
Licht ist mehr als Helligkeit: Es strukturiert unseren Raum
Beleuchtung wird in der Praxis häufig über technische Größen definiert: Luxwerte, Normen, Energieeffizienz.
Für das Sicherheitsgefühl reicht das nicht. Licht formt:
- Lesbarkeit des Raums – erkenne ich Tiefe, Ränder, Übergänge?
- Gesichter & Körpersprache – kann ich andere Menschen einschätzen?
- Atmosphäre – fühlt sich ein Ort einladend, belebt oder leer und ausgestellt an?
Studien zeigen: Menschen fühlen sich dort sicherer, wo Licht gleichmäßig, blendungsarm und vertikal wirksam ist – also Gesichter und Körper im Raum sichtbar macht, statt nur den Boden oder einzelne Spots zu überbelichten.
Wahrnehmung ist nie objektiv
Sicherheit ist ein Gefühl kein Messwert
Es gibt keine „objektive“ Sicherheit im Sinne eines neutralen Blicks.
Unser Sicherheitsgefühl entsteht aus einem Zusammenspiel von:
- persönlichen Erfahrungen (z. B. Belästigung, Gewalt, Konflikte),
- medialen Bildern und Erzählungen,
- der aktuellen Situation (allein oder in Gruppe, vertraute oder fremde Umgebung),
- und der Art, wie der Raum mit Licht inszeniert wird.
Phänomenologische und sozialwissenschaftliche Ansätze (u. a. Merleau-Ponty, Lefebvre, Luhmann, Rosa) zeigen:
Wir produzieren Raum durch unser Wahrnehmen, Interpretieren und Handeln.
Beleuchtung ist dabei ein mächtiges Werkzeug, weil sie entscheidet, was sichtbar wird – und was im Dunkeln bleibt.
Was die Forschung dazu sagt
Was Studien zeigen - Qualität statt "mehr Licht"
Aktuelle Forschung aus Umweltpsychologie, Lichtplanung und Kriminologie kommt zu erstaunlich einheitlichen Ergebnissen Lichtqualität statt Lichtmenge
- Studien zu Straßen, Plätzen und Parks zeigen: Das Sicherheitsgefühl hängt stärker von Verteilung, Blendungsarmut und vertikaler Beleuchtung ab als von der reinen Helligkeit. (z. B. Fisher & Nasar 2016; Trop et al. 2023; Kaplan et al. 2021)
- Geschlechterunterschiede - Frauen bewerten öffentliche Räume bei Dunkelheit konsistent unsicherer als Männer. Sie reagieren besonders sensibel auf dunkle Übergänge, schlecht einsehbare Ecken und harte Hell-Dunkel-Kontraste. (u. a. FIRST-Projekt 2023; Navarrete-Hernandez et al. 2021; Arup 2023)
- Alter & Orientierung- Ältere Menschen sind stärker auf klare Sichtachsen, gleichmäßige Beleuchtung und erkennbare Ränder angewiesen. Uneinheitliche oder grelle Beleuchtung erschwert Orientierung und erhöht Unsicherheit. (z. B. Liu et al. 2022; Burattini 2025)
- „Brighter isn’t safer“ - Zu helle, überkontrastierte Beleuchtung kann Räume leer und abweisend wirken lassen – gerade Frauen und andere vulnerable Gruppen meiden solche Orte. (Arup 2023; London GLA 2024)
Wenn wir also über „Sicherheit durch Beleuchtung“ sprechen, geht es weniger um „heller“, sondern um lesbarer, stimmiger und gerechter.
Typische Fehlannahmen in der Praxis
Typische Irrtümer - Wenn gute Absichten zu Angsträumen werden
„Mehr Lux löst das Problem.“
In der Realität können überbeleuchtete Flächen und harte Kontraste sogar neue Angsträume schaffen – insbesondere an Rändern und Übergängen.
„Wenn die Norm erfüllt ist, passt die Wahrnehmung schon.“
Normen sichern Mindeststandards, sagen aber wenig über subjektives Sicherheitsgefühl aus – vor allem nicht für Frauen, ältere Menschen oder marginalisierte Gruppen.
Dunkelheit ist per se gefährlich.“
Nicht jede Dunkelheit ist ein Problem. Gefährlich wird es dort, wo Orientierung, Gesichtserkennung und soziale Kontrolle fehlen – und wo niemand mehr hingeht.
„Alle erleben den Raum gleich.“
Geschlecht, Alter, Herkunft, Behinderungen und biografische Erfahrungen prägen, wie Menschen Nachträume erleben. Eine Planung „für einen Durchschnittsmenschen“ geht an der Realität vorbei.

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